Getriebehersteller automatisiert Variantenmanagement

Der Getriebehersteller Neugart bietet 18 verschiedene Planetengetriebebaureihen mit vier Mio. technisch möglichen Varianten. Trotz dieser Vielfalt ist der Hersteller in der Lage seine Produkte innerhalb von 24 Stunden auszuliefern. Den hohen Aufwand für Konstruktion und Datenverwaltung hat Neugart durch ein regelbasiertes Variantenmanagement komplett automatisiert.

Produktkonfigurator auf der Homepage von Neugart.
Kunden können bei Neugart Getriebevarianten mit einem Produktkonfigurator individuell zusammenstellen. Das dafür notwendige Variantenmanagement hat der Getriebehersteller komplett automatisiert. (Quelle: www.neugart.com)

„Uns fasziniert, aus einem beherrschbaren Teilespektrum heraus nahezu unendlich viele Getriebevarianten zu ermöglichen und den Eindruck zu erwecken, es sei alles ganz einfach. Das schaffen wir durch sehr effiziente Konstruktionsprozesse und mit einem automatisierten Variantenmanagement“, berichtet Christian Kolz, Leiter Produktinnovation & Tools bei der Neugart GmbH. Neugart ist ein Familienunternehmen aus dem südbadischen Kippenheim. Der Getriebehersteller mit 700 Mitarbeitern entwickelt, produziert und vertreibt Planetengetriebe und kundenspezifische Sondergetriebe.

Die Neugart-Produkte basieren auf einem variablen Baukastensystem, so dass technisch mehr als vier Mio. Produktvarianten möglich sind. Nachgefragt wurden in den letzten fünf Jahren bereits 35.000 Getriebevarianten. Diese unterscheiden sich beispielsweise durch Motoranpassungen, unterschiedliche Schmierstoffe oder durch besondere Antriebswellenausführungen. „Früher erforderte jede Variante ca. eine Stunde Konstruktionszeit für die technische Klärung, die Teilegenerierung und manuelle Bearbeitung der Stückliste, die Erstellung der Arbeitspläne bis hin zur Dokumentation“, so der Leiter Produktinnovation.

Getriebevarianten
Neugart hat in den letzten fünf Jahren 35.000 unterschiedliche Getriebevarianten ausgeliefert. Das Änderungsmanagement und die Erstellung von beschreibenden Dokumenten übernimmt das PLM-System. (Foto Neugart)

Jede Produktvariante erforderte eine Stunde Konstruktionszeit

Um diesen Aufwand zu reduzieren, befasste sich der Hersteller seit 2011 mit den Möglichkeiten eines zukunftsfähigen PLM-Systems für das Variantenmanagement und zur Automatisierung der Konstruktionsprozesse. Mit Hilfe des externen Beraters Josef Schöttner, SICON, wurde ein Fachkonzept entwickelt und schließlich ein Benchmarking von PLM-Systemanbietern durchgeführt. Christian Kolz bemängelt an vielen Lösungen, dass Anpassungen zusätzliches Programmier-Know-how erfordern: „Wir haben uns für die Lösung von intellivate entschieden, ein Autorensystem, das wir selbst anpassen können. Durch das Variantenmanagement in PLM greifen wir zudem über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes jederzeit auf konsistente Produktdaten zurück.“ Wenn ein Kunde heute bei Neugart bestellen will, kann er in einem Produktkonfigurator auf der Homepage seine Getriebevariante individuell zusammenstellen. Dabei wird das Regelwerk für den Produktkonfigurator direkt vom PLM-System geliefert.

Die intellivate GmbH bietet neben innovativen PLM-Systemkomponenten für durchgängig digitalisiertes Produktdatenmanagement ein vollintegriertes Modul für Variantenkonfiguration. Christian Kolz nennt als die drei ausschlaggebenden Gründe für den Anbieter intellivate: „Das Variantenmanagement, das Variantenmanagement und das Variantenmanagement!“

Das PLM-System automatisiert die Prozesse

Eine besondere Herausforderung beim Produktdatenmanagement für mehr als 35.000 Getriebevarianten ist die Pflege der Daten und das Änderungsmanagement. Dazu zählen u.a. technische Veränderungen, Updates bei den Teilen oder auch die Produktstruktur, wenn alte Komponenten durch neue ersetzt werden. „Wir haben erreicht, dass das Änderungsmanagement nach definierten Regeln komplett vollautomatisch umgesetzt wird“, benennt Christian Kolz den Fortschritt. Dabei ist der Variantenstamm als eigenständiges Objekt in PLM integriert. So erkennt jeder Variantenkonfigurator seine ausgeleiteten Teile wieder. Der Konstrukteur revisioniert und aktualisiert dank des Autorensystems lediglich das Regelwerk des Variantenstamms und schickt alle von einer Änderung betroffenen Teile in die automatisierte Überarbeitung. Der Autokonfigurator passt die Teile auf den neuen Stand des Regelwerks an und übergibt die Daten wieder konsistent an das ERP-System.

Die Lösung von intellivate ist seit fünf Jahren im Einsatz und wird regelmäßig um neue Features erweitert. So lassen sich mit den Variantenkonfiguratoren inzwischen auch Einzelkomponenten sowie die beschreibenden Dokumente in Form von Zeichnungen und die zugehörigen CAD-Daten automatisch zu erzeugen. „Wenn der Konstrukteur jetzt ein neues Teil benötigt, überlässt er dem PLM-System die regelbasierte Generierung aller Produktdaten und auch der Zeichnungen“, berichtet der Leiter Produktinnovation. Die automatisch erstellten Zeichnungen werden abschließend vom Konstrukteur geprüft und alle Daten freigegeben.

IYOPRO PLM
„Die Konstrukteure sind froh, dass sie jetzt nicht mehr 3.000 Teile manuell anpassen müssen, sondern mehr Zeit für anspruchsvollere Projekte haben. Das PLM-System automatisiert die monotonen und langweiligen Arbeiten“, berichtet Christian Kolz, Leiter Produktinnovation & Tools bei der Neugart GmbH. (Foto Neugart)

Wir haben viele Tausend Konstruktionsstunden eingespart

Christian Kolz bewertet die Kosten-Nutzen-Analyse des PLM-Systems von intellivate sehr positiv: „Wir haben den Umsatz in den letzten Jahren deutlich gesteigert und allein durch die automatisierte Neuanlage von Produkten mehr als 35.000 Konstruktionsstunden eingespart. Jetzt vergehen von der Produktkonfiguration durch den Vertriebsmitarbeiter bis zur Bereitstellung des Betriebsauftrags in der Montage keine 5 Minuten. Wir haben außerdem durch die automatisierte Datenpflege in unserem PLM-System nach nunmehr zwei Jahren bereits mehr als 10.000 Konstruktionsstunden zusätzlich eingespart. Schließlich erwarten wir durch die aktuelle Erweiterung weitere Einsparungen von mehreren Tausend Stunden in der Konstruktion.“

Christian Kolz
„Wir haben in fünf Jahren allein durch die automatisierte Neuanlage von Produkten mehr als 35.000 Konstruktionsstunden eingespart“, berichtet Christian Kolz, Leiter Produktinnovation & Tools bei der Neugart GmbH. (Foto Neugart)

Der Leiter Produktinnovation betont, dass auch die stetig gewachsenen Anforderungen von Neugart durch intellivate immer umgesetzt werden konnten. Dabei hebt er vor allem die Flexibilität des Systems und das durchgängige Datenmodell hervor, das sich in der Praxis sehr gut bewährt habe. Auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der Lösung bewertet er positiv: „Das PLM-System automatisiert die monotonen und langweiligen Arbeiten. Die Konstrukteure sind froh, dass sie jetzt nicht mehr 3.000 Teile manuell anpassen müssen, sondern mehr Zeit für anspruchsvollere Projekte haben.“

Als weiteren Ausblick nennt Christian Kolz noch die automatisierte Erstellung der technischen Dokumentation mit den Geometrie- und Leistungsdaten der Produkte: „Auch diese Dokumentation möchten wir in einem nächsten Projekt sozusagen ‚on the fly‘ bei der Produktkonfiguration in PLM entstehen lassen.